Wenn man ein Islandpferd zum ersten Mal sieht, könnte man es fast unterschätzen. Es ist kleiner als viele andere Pferderassen, oft nur knapp über 1,30 Meter groß. Doch lass dich nicht täuschen: In diesem kompakten Körper steckt mehr Kraft, Charakter und Geschichte, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Islandpferde sind wahre Ausnahmerassen – mit einer Herkunft, die einzigartig ist, und Eigenschaften, die sie zu idealen Partnern für Reiter aller Art machen.
Eine Reise durch die Geschichte
Die Geschichte der Islandpferde beginnt vor über 1.000 Jahren. Als die Wikinger im 9. und 10. Jahrhundert nach Island kamen, brachten sie ihre Pferde mit. Auf der kargen, oft unwirtlichen Insel mussten die Tiere zurechtkommen – und das ohne Unterstützung durch andere Rassen. Denn bis heute gilt in Island ein strenges Gesetz: Es dürfen keine Pferde eingeführt werden. Wer einmal die Insel verlässt, darf nicht zurück. Das hat dazu geführt, dass Islandpferde über Jahrhunderte rein gezüchtet blieben und ihre ursprünglichen Eigenschaften bewahren konnten.
Diese Isolation machte sie zu einer der reinsten Pferderassen der Welt. Jede Faser ihres Körpers ist auf Härte, Ausdauer und Anpassungsfähigkeit ausgelegt. Sie sind keine Luxustiere, sondern überlebensstarke Partner, die ihren Menschen halfen, unter widrigsten Bedingungen zu leben.
Klein, stark und wetterfest
Mit einer Größe zwischen 130 und 145 Zentimetern zählen Islandpferde offiziell zu den Kleinpferden – aber niemals zu den Ponys. Ihr kräftiger Körperbau, die muskulösen Beine und das dichte Fell machen sie zu robusten Arbeitstieren. Die lange Mähne und der üppige Schweif sind nicht nur schön, sondern auch praktischer Schutz gegen Wind, Regen und Kälte.
Physisch sind sie perfekt dafür gemacht, lange Strecken in schwierigem Gelände zurückzulegen. Sie sind trittsicher, ausdauernd und können Lasten tragen, die man ihnen bei ihrer Größe gar nicht zutrauen würde. Ihre Herkunft aus Island erklärt diese Robustheit: Nur die stärksten Pferde überlebten in der rauen Natur, schwächere Tiere hatten schlicht keine Chance.
Einzigartige Gangarten
Das wohl bekannteste Merkmal der Islandpferde sind ihre zusätzlichen Gangarten. Neben Schritt, Trab und Galopp beherrschen sie den Tölt – eine butterweiche Viertaktgangart, die für Reiter ein unvergleichliches Erlebnis ist. Der Tölt ist bequem, schonend für den Rücken und ideal für lange Ritte, bei denen man fast das Gefühl hat, über den Boden zu gleiten.
Manche Islandpferde beherrschen zusätzlich den Pass, auch Rennpass genannt. Dabei fliegen sie mit atemberaubendem Tempo über den Boden, wobei jeweils die beiden rechten oder linken Beine gleichzeitig aufsetzen. Für Zuschauer wirkt das spektakulär, für den Reiter ist es ein echtes Hochgefühl. Diese Gangarten sind genetisch verankert und machen die Rasse weltweit einzigartig.
Charakter und Wesen
Doch Islandpferde überzeugen nicht nur durch ihr Äußeres oder ihre Bewegungen, sondern auch durch ihren Charakter. Sie sind klug, neugierig und gleichzeitig gelassen. Ihre natürliche Umgebung hat sie zu selbstbewussten, ausgeglichenen Tieren geformt. In der Herde entwickeln sie ein starkes Sozialverhalten: Sie kommunizieren miteinander, leben klare Rangordnungen und bilden Freundschaften, die oft ein Leben lang halten.
Für uns Menschen sind sie loyale Partner. Viele Reiter schätzen ihre Zuverlässigkeit und ihren Mut. Islandpferde sind anhänglich und stark auf „ihre“ Menschen bezogen, ohne dabei aufdringlich zu sein. Sie sind wachsam, aber nicht schreckhaft, lernfreudig, aber nicht nervös. Diese Mischung macht sie zu idealen Freizeitpferden – und für Kinder wie Erwachsene gleichermaßen geeignet.
Natürliche Lebensweise
Islandpferde sind es seit Jahrhunderten gewohnt, draußen zu leben. Regen, Wind, Schnee oder Sonnenschein – sie trotzen allen Witterungen. In Island stehen sie ganzjährig in Herden auf Weiden, bewegen sich ständig und suchen sich ihr Futter selbst. Genau das ist der Lebensrhythmus, der sie gesund hält und zu dem gemacht hat, was sie sind.
Darum fühlen sich Islandpferde auch heute in Haltungsformen wohl, die dieser Lebensweise nahekommen. Aktivställe, Offenställe und Herdenhaltung sind ideal, weil sie den natürlichen Bedürfnissen nach Bewegung, Sozialkontakt und ständigem Futterangebot entsprechen. Boxenhaltung dagegen widerspricht ihrer Natur: Dort fehlt die Bewegung, die Gesellschaft und oft auch die freie Entscheidung, wie der Tag abläuft.
Islandpferde als Reittiere
Als Reitpferde sind Islandpferde vielseitig einsetzbar. Dank ihrer Robustheit tragen sie problemlos Erwachsene, gleichzeitig sind sie sanft genug für Kinder. Ihre Ausdauer macht sie zu verlässlichen Begleitern bei langen Ausritten, ihre Gangarten begeistern Freizeitreiter wie Sportler.
Besonders geschätzt werden sie auch wegen ihrer Vielseitigkeit: Sie können gemütlich durchs Gelände tölten, aber auch sportlich im Wettbewerb glänzen. Ob für entspannte Stunden in der Natur, für ambitioniertes Training oder einfach als Partner und Freund – Islandpferde passen sich an ihre Reiter an, ohne ihre Eigenständigkeit zu verlieren.
Freundschaft auf Augenhöhe
Wer ein Islandpferd kennt, weiß: Es ist mehr als nur ein Reittier. Es ist ein Freund, der zuhört, mitdenkt und mitfühlt. Viele Reiter berichten, dass sie mit ihrem „Isi“ eine besondere Verbindung haben – eine Beziehung, die von Vertrauen und Respekt geprägt ist.
Islandpferde sind klein, ja. Aber sie haben ein großes Herz, eine große Geschichte und viele Stärken. Sie verbinden uralte Tradition mit moderner Reitkultur und erobern dabei Herzen auf der ganzen Welt.



